In der Rechtsprechung und den Medien ist der EncroChat-Hack das Cybercrime-Thema überhaupt. Sowohl das OLG Bremen, OLG Hamburg als auch das OLG Rostock mussten sich in den vergangenen 3 Monaten mit der Verwertbarkeit von sogenannten EncroChat-Handys beschäftigen. Der Spiegel berichtet in Reportagen von dem geheimen Tagebuch der organisierten Kriminalität und in dem Artikel „Daten, Drogen, Dynamit“ über den Kampf um die Verwertbarkeit der Daten. Wie der aktuelle Stand hinsichtlich des EncoChat-Hacks ist, erfahrt Ihr hier:
1. Wie funktioniert EncroChat?
Das Unternehmen EncroChat war Anbieter von Krypto-Handys, die den Nutzern eine anonyme Kommunikation mittels eineseigenen Chat-Netzwerks bieten sollte. Zur Tarnung wurden hierfür Android Geräte so modifiziert, dass Kamera und GPS-Hardware entfernt wurden und sämtliche auf dem Handy gespeicherten Daten über eine „Wipe-Funktion“ durch die Eingabe einer PIN in Sekunden gelöscht werden konnten. Die EncroChat-andys wurden den Kunden als Garant für perfekte Anonymität angepriesen. Aufgrund dieser Vorteile wurden Encrochat-Handys wohl vielfach von Kriminellen für kriminelle Aktivitäten, wie den Handel mit Kokain, Crystal Meth, Waffen ect. genutzt.
2. Wie haben die Ermittlungsbehörden gehackt?
Nachdem die französischen Ermittlungsbehörden Kenntnis davon erlangt hatten, dass EncroChat Server in der Stadt Lille nutzte, fanden die Ermittler eine Sicherheitslücke und schleusten über den Server Malware auf sämtliche EncroChat-Handys. Die Malware ermöglichte es die laufende Kommunikation unverschlüsselt und unbemerkt von den Geräten abzufangen und auf einen anderen Server auszuleiten. Die Ergebnisse dieser Telekommunikationsüberwachung teilten die französischen Behörden mit den zuständigen Behörden in ganz Europa. Nach Medienberichten sollen mehrere Hunderttausend Chat-Nachrichten an das Bundeskriminalamt weitergeleitet und alleine in Deutschland 3.000 Nutzer ermittelt worden sein.
3. Sind die Daten vor deutschen Gerichten verwertbar?
Bei den aktuellen Strafverfahren in Deutschland gegen die Nutzer von EncroChat-Handys besteht die einzige Verteidigungsmöglichkeit darin, die Verwertbarkeit der Daten anzugreifen, sodass diese im Verfahren nicht als Beweismittel genutzt werden können. Anknüpfungspunkt hierfür ist, dass das Vorgehen der französischen Ermittlungsbehörden nach der geltenden Rechtslage in Deutschland für die deutschen Ermittlungsbehörden unzulässig gewesen wäre. Es stellt sich daher die Frage, ob Beweismittel, die in einem anderen EU-Land rechtmäßig erhoben wurden, in einem deutschen Strafprozess genutzt werden können, selbst wenn die Daten nach den deutschen Maßstäben rechtsstaatswidrig erlangt wurden. Die bisherige Rechtsprechung zu dem Thema hat die Verwertbarkeit der Daten bejaht. Das letzte Wort ist in der Sache jedoch noch nicht gesprochen. Vielmehr wird sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigen müssen.
4. Ausblick
Nach Auswertung der Chatverläufe dürfte eine Menge Arbeit auf die deutschen Gerichte zukommen. Die ehemaligen EncroChat-Nutzer sollten sich bereits jetzt ihre Verteidigung vorbereiten. Sicher ist aber auch, dass in Zukunft der Bedarf an verschlüsselten Smartphones und geschützter Kommunikation bestehen bleibt und durch bessere Technologie ersetzt werden wird.
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