Welche Anforderungen müssen gerichtliche Beschlüsse erfüllen?
Für die Ermittlungsbehörden sind E-Mails ein grundlegender Bestandteil umfassender Ermittlungen geworden. Es besteht dabei die Tendenz, dass neben einer laufenden Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO, bei der die aktuell ein- und ausgehenden Nachrichten des E-Mail Postfachs an die Ermittlungsbehörden ausgeleitet werden, auch die Übermittlung aller im Postfach bereits vorhandenen E-Mails nebst etwaiger Anlagen beim Provider anfordert werden.
Der folgende Beitrag liefert einen Überblick darüber welche Voraussetzungen an eine entsprechende Anordnung zu stellen sind und wie Sie im Einzelfall reagieren sollten, wenn Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit haben.
Wie können die Ermittlungsbehörden auf gespeicherte E-Mails zugreifen?
Möchten die Ermittlungsbehörden nicht nur die aktuell ein- und ausgehenden E-Mails eines Beschuldigten mitlesen, sondern auch Zugriff auf die im Postfach bereits gespeicherten Nachrichten und Entwürfe haben, so erfordert dies grundsätzlich eine richterliche Anordnung. Diese Anordnung erfolgt in der Regel in Form eines Beschlusses eines Ermittlungsrichters. Diesen Beschluss wird Ihnen die Polizei übermitteln und gleichzeitig um Kontaktaufnahme bitten, um zu klären, auf welchem Weg die Daten an die Polizei übertragen werden können.
Tipp:
Das diese Zuständigkeit eingehalten wurde, erkennen Sie daran, dass der Beschluss vom Amtsgericht erlassen wurde und ein sog. „Gs“-Aktenzeichen trägt. Zudem sollte der Beschluss vom Richter unterschrieben oder mit einem offiziellen Stempel ausgefertigt worden sein.
Was ist die rechtliche Grundlage?
Was die genaue rechtliche Grundlage für die Beschlagnahme von E-Mails ist, die auf dem Mailserver des Providers gespeichert sind, ist in der Rechtsprechung und juristischen Literatur umstritten. Kern dieses Streits ist die Frage, ob für E-Mails die Voraussetzungen einer Postbeschlagnahme gem. § 99 StPO gelten oder die allgemeinen Regeln der §§ 94, 98 StPO. Der Bundesgerichtshof unterwirft in einer neueren Entscheidung aus dem Jahr 2020 (BGH, Beschl. v. 14.10.2020 - 5 StR 229/19) auch beim Provider „ruhende“ E-Mails dem Begriff der Telekommunikation und folgert daraus, dass der Zugriff auf E-Mails nur unter den Voraussetzungen des § 100a StPO zulässig ist.
Welchen Inhalt muss der Beschluss haben?
Der genaue Inhalt des Beschlusses steht in Abhängigkeit von der rechtlichen Einordnung der Maßnahme (siehe oben). Handelt es sich um eine Beschlagnahme, so muss die gerichtliche Anordnung den Tatvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konkretisieren und die Umstände darlegen, die den Tatverdacht sowie die Annahme begründen, dass die gespeicherten E-Mails als Beweismittel benötigt werden. Zudem muss der Beschluss für den Betroffenen Provider das entsprechende E-Mail-Postfach und die auszuleitenden Daten konkret benennen. Ist die richterliche Anordnung zu unbestimmt und lässt nicht erkennen, was Gegenstand der Beschlagnahme ist, ist sie unwirksam (BVerfG, Beschl. v. 03.09.1991 - 2 BvR 279/90).
Erachtet man wie der Bundesgerichtshof die Beschlagnahme ruhender E-Mails nur unter den Voraussetzungen des § 100a StPO für zulässig, so wäre ein Zugriff auf sie nur rechtmäßig, wenn der Tatvorwurf eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO darstellt. Zudem sind höhere Anforderungen an den Grad des Tatverdachts zu stellen. D.h. bloße Vermutungen reichen nicht aus. Vielmehr muss aufgrund konkreter Tatsachen ein erhöhter Verdachtsgrad bestehen, was die mehr als unerhebliche, hinreichende Tatsachenbasis meint.
Darf ich den Nutzer über die Beschlagnahme seines E-Mail-Accounts informieren?
Nein! Regelmäßig enthält der Beschluss einen Zusatz, dass die Benachrichtigung des Beschuldigten zurückgestellt wird. Aber auch wenn ein entsprechender Passus in der Anordnung fehlt, sollte der Inhaber des E-Mail-Accounts nicht darüber benachrichtigt werden, dass gegen ihn ermittelt wird. Andernfalls können die Ermittlungen gefährdet werden und im schlimmsten Fall zur Einleitung eines Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung führen.
Was kann ich machen, wenn ich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses habe?
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses gilt die Regel, dass man diesen dennoch ausführen sollte und erst dann ein Rechtsmittel (Beschwerde) gegen den Beschluss einlegt. Nur in Ausnahmefällen, in denen dem Beschluss die Rechtswidrigkeit quasi auf die Stirn geschrieben steht, ist dieser nichtig und muss nicht befolgt werden.
Was kann passieren, wenn ich der gerichtlichen Anordnung nicht nachkomme?
Kommt der Adressat einer gerichtlichen Beschlagnahmeanordnung nicht nach, so kann das Gericht gem. § 95 Abs. 2 StPO i:v.m. § 70 StPO Zwangsmittel festsetzen, wie etwa ein Ordnungsgeld oder sogar die Ordnungshaft anordnen.
Sind Sie daher unsicher und haben Fragen, wie Sie sich verhalten sollen, wenn Sie einen Beschluss erhalten haben, der die Beschlagnahme eines E-Mail-Postfachs anordnet, können Sie sich gerne an mich wenden, um rechtssicher den Datenschutz Ihrer Nutzer zu gewährleisten und gleichzeitig der gerichtlichen Anordnung nachzukommen.
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