Das Amtsgericht Münsingen hat nach Medienberichten am 12.09.2024 einen privaten Nutzer eines illegalen IPTV-Angebots zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Wie ist dazu kommen konnte, dass das Gericht eine so heftige Strafe gegen den Täter verhangen hat, erfahren Sie hier:
Wie war der Gang des Verfahrens?
Da es ungewöhnlich ist, dass Freiheitsstrafen gegen Nutzer illegaler Streams verhangen werden, habe ich zunächst beim Amtgsgericht Münsing um Übermittlung eines anonymisierten Urteils gebeten. Aus den mir übersandten Unterlagen geht hervor, dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Amtsgericht Münsing zunächst ein Strafbefehl gegen den Beschuldigten erlassen wurde, in dem wegen des gewerbsmäßigen Computerbetrugs in fünf Fällen eine Bewährungsstrafe von 9 Monaten und die Vermögenseinziehung von 6.013,42 EUR verhängt wurde.
Gegen diesen Strafbefehl wurde vom Beschuldigten Einspruch eingelegt, was dazu führte, dass am 12.09.2024 die Vorwürfe im Rahmen der Hauptverhandlung verhandelt wurden. In der Hauptverhandlung wurde der Einspruch vom Verteidiger auf die Rechtsfolgen beschränkt, so dass „nur noch“ über die Höhe der Strafe verhandelt wurde. Das Ergebnis dieser Verhandlung ist die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 3.959,66 EUR.
Welcher Sachverhalt liegt dem Verfahren zugrunde?
Aus den mir übersandten Unterlagen geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft – wie eigentlich fast immer - zunächst gegen die Betreiber eines illegalen Streaming Angebots ermittelten. Ob es sich dabei um Cardsharing oder IPTV handelte, geht aus dem mitgeteilten Sachverhalt leider nicht eindeutig hervor.
Nachdem die Betreiber des illegalen Streams, dessen Server zunächst in Bosnien-Herzegowina und ab dem Jahr 2020 in Deutschland standen, ermittelt hatten, wurden im zweiten Schritt Ermittlungen gegen die einzelnen Nutzer eingeleitet. Der später Verurteilte soll nach den Angaben im Strafbefehl sogar dabei erwischt worden sein, wie er an einen der Betreiber Bargeld im Gegenzug für den Zugang zu dem illegalen Streamingdienst übergeben wollte.
Diesem wurde nun vorgeworfen, dass er seit dem Jahr 2019 jeweils Jahresabos bei den Anbietern erworben und genutzt zu haben soll. Der Beschuldigte nahm bereits während des Ermittlungsverfahrens Stellung und räumte die Vorwürfe vollumfänglich ein.
Wie hat sich der Angeklagte strafbar gemacht?
Das Amtsgericht Münsing hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs gem. § 263a StGB in Tateinheit mit Ausspähen von Daten gem. § 202a StGB in fünf Fällen verurteilt. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Rechtslage erfolgte im Rahmen des Strafbefehls oder des Urteils leider nicht.
Aus meiner Sicht orientiert sich die Verurteilung an der Entscheidung des OLG Celle vom 31.08.2016 (Az. 2 Ss 93/16), in der das OLG Celle über die Strafbarkeit des Betreibers eines Cardsharing-Servers entschieden hatte. Nach der Entscheidung sollen die Betreiber eines Cardsharing-Servers in Mittäterschaft mit den Nutzern einen Computerbetrug begehen. Diese rechtliche Einordnung ist aus meiner Sicht rechtlich nicht zutreffend und kann insbesondere nicht auf IPTV Verfahren übertragen werden. Dass keine Unterscheidung hinsichtlich der Strafbarkeit zwischen Cardsharing und der Nutzung eines illegalen IPTV-Streams getroffen wird, ist erschreckend. IPTV-Verfahren können aufgrund der unterschiedlichen technischen Besonderheiten nicht als Computerbetrug gem. § 263a StGB eingeordnet werden.
Auch die Annahme eines gewerbsmäßigen Handels ist aus meiner Sicht problematisch. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will. Dabei ist wichtig, dass es nicht darauf ankommt, dass der Täter wiederholt die Tat begeht, sondern er lediglich plant, die Tat zu wiederholen. Selbst wenn der Täter über Jahre Kunde der Anbieter gewesen sein soll, kann hieraus nicht automatisch auf ein gewerbsmäßiges Handeln geschlossen werden. Wenn der Täter den Stream daher alleine privat nutzt und nicht ein Wettbüro oder eine Sportsbar betreibt, sollte die Verteidigung sich erheblich gegen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit wehren.
Zudem wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 3.959,66 EUR angeordnet. Nach den Ausführungen im Strafbefehl sollte zunächst eine Einziehung in Höhe von 6.013,42 EUR erfolgen. Diese wurde in der Hauptverhandlung unter Anwendung des § 421 StPO noch einmal auf 3.959,66 EUR reduziert. Die Berechnung des Einziehungsbetrag wurde dabei nach den Kosten eines regulären Abonnements berechnet, die den Ermittlungsbehörden von den Anbietern mitgeteilt wurden. Aus meiner Sicht müsste sich der Einziehungsbetrag nach dem tatsächlichen Marktwert berechnen, d.h. es müssten Rabatte berücksichtigt werden, die insbesondere beim Bezug von Video on Demand Angeboten in Paketen wie z.B. von der Telekom, mit erheblichen Abschlägen angeboten werden.
Welche Lehren können aus dem Urteil gezogen werden?
Das Urteil des Amtsgerichts Münsing zeigt, dass auch Nutzern von IPTV-Angeboten erhebliche Strafen drohen. Zudem führt die Einziehung dazu, dass neben der eigentlichen Strafe auch erhebliche Zahlungen auf die Verurteilten zukommen können. Wenn gegen Sie daher wegen des Vorwurfs der Nutzung eines illegalen IPTV-Streams ermittelt wird, kann die Wahl eines kompetenten Anwalts wichtig sein.
Kontaktieren Sie mich gerne, wenn Sie Fragen zu dem Thema haben.
Rechtsanwalt Dr. Löw
Komentar