Am 20. Januar 2023 ist die fünfteilige Serie "ASBEST" von Regisseur Kida Khodr Ramadan in der ARD Mediathek gestartet. Bereits am ersten Wochenende hat die Serie fast 3 Millionen Abrufe und legt damit den erfolgreichsten Start einer Mediathekserie in der ARD Mediathek überhaupt hin. Es geht um den 19-jährigen Momo Kaval, der eigentlich kurz davor ist, Profi-Fußballer zu werden. Aufgrund der Beteiligung bei einem missglückten Raubüberfall seiner Cousins wird er zu Unrecht zu einer Haftstrafe von 9 Jahren verurteilt. Im harten Knastalltag erpresst Momos Onkel und Clanchef Amar, Momo damit, für ihn zu dealen. Nur die Knast-Fußballmannschaft und die Besuche von Freundin Daniela geben ihm Halt.
Ist das denn alles realistisch?
Die Darstellung der rechtlichen Aspekte ist von der Realität leider weit entfernt. Gerade die Darstellung des Strafverfahrens ist nicht gut recherchiert und weist erhebliche Fehler auf. Hier für alle Serienjunkies und Hobbygangster die größten Missgeschicke:
1. Anwendung Jugendstrafrecht
Momo ist 19 Jahre alt und damit Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Daher wäre die Anwendung des Jugendstrafrechts auf den Heranwachsenden zwingend zu prüfen gewesen. Allein die Tatsache, dass Momo noch bei seiner Mutter wohnt, spricht eindeutig für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Momo zu einer Jugendstrafe verurteilt worden wäre, deren Höchstmaß nach § 105 Abs. 3 JGG bei 10 Jahren liegt. Ob es dann auch zu einer Verurteilung zu einer Strafe von 9 Jahren gekommen wäre, hängt natürlich vom Einzelfall ab. Mein Gespür sagt mir aber, dass es weniger geworden wäre und die Verurteilung in der Serie zu hart ausgefallen ist.
2. Besetzung des Schwurgerichts
In der Darstellung des Prozesses wird der Eindruck erweckt, dass lediglich eine Richterin zuständig ist. Sofern für den Fall aber das Schwurgericht zuständig ist, ist die Kammer zwingend mit 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen besetzt (§ 76 GVG). Eigentlich ja auch klar, dass bei einer Entscheidung über 9 Jahre Haft nicht eine Person alleine entscheiden darf. So sieht die Richterbank in der ersten Folge aber viel zu leer aus.
3. Ablauf der Hauptverhandlung
Die Hauptverhandlung in Strafsachen hat immer den gleichen Ablauf (§ 243 StPO). Also zunächst wird die Sache aufgerufen, die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt und anschließend die Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft verlesen. Danach haben die Angeklagten die Möglichkeit Angaben zur Sache zu machen. Dass die Staatsanwaltschaft also vor der Einlassung zur Sache der Angeklagten eine Art „Opening Statement“ abgibt, unterfällt einfach nur der künstlerischen Freiheit.
Der Vollständigkeit halber ist natürlich auch darauf hinzuweisen, dass in Abwesenheit des Angeklagten nicht verhandelt werden kann (§ 231 StPO). Wenn Momo also von den Wachtmeistern schreiend weggetragen wird, kann ohne ihn nicht weiter verhandelt werden.
Verfahren vor dem Schwurgericht gehen zu 99% auch über mehrere Verhandlungstage. Selbst wenn die mitangeklagten Cousins von Momo diesen belasten, müssen natürlich noch die anderen Zeugen gehört werden und sämtliche anderen Beweismittel in das Verfahren eingeführt werden. Bei einem Raubüberfall in einem Club, mit Blutspuren, GPS Daten etc. sollten mindestens 10 Verhandlungstage zusammenkommen.
4. Abtransport aus dem Gericht
Auch die Szene in der Momo sich im Gericht von seiner Mutter verabschiedet, bevor er durch den Haupteingang an der Presse vorbei von den Wachtmeistern abgeführt wird, ist nicht realistisch. Für Inhaftierte geht es durch den Hintereingang direkt in die JVA. Auch (Körper-)Kontakt zu Familienangehörigen wird von den Wachtmeistern unterbunden.
5. Vergütung des Verteidigers
Schmunzeln musste ich als Daniela, die Freundin von Momo am Zaun der JVA stehen soll und die beiden sich zurufen, dass der Verteidiger 500 EUR pro Tag bekommen soll. „Das muss ja echt der beste Anwalt der Welt sein!“ Nicht wirklich! Jedenfalls dann, wenn hiermit pro Verhandlungstag gemeint sein soll.
Die reguläre Vergütung für einen Hauptverhandlungstermin vor dem Schwurgericht mit Haftzuschlag liegt nach den gesetzlichen Gebühren des RVG bei 711 EUR für einen Wahlverteidiger. Selbst ein Pflichtverteidiger erhält 569 EUR (121 VV RVG i.V.m. 48 RVG). Wenn ein Wahlverteidiger in einem Clanverfahren vor dem Schwurgericht für 500 EUR pro Tag tätig wird, würde er weniger verdienen als ein Pflichtverteidiger! Never!
6. Einweisung in die JVA Moabit
Warum geht es für Momo eigentlich in die JVA Moabit? In der JVA Moabit wird eigentlich nur die U-Haft verbüßt. Nach dem Einweisungsverfahren geht es weiter. Und hier kommt wieder das Alter von Momo ins Spiel. Ein 19-Jähriger müsste nach der Vollzugsplanung eigentlich in die Jugendstrafanstalt Berlin kommen (https://de.wikipedia.org/wiki/Jugendstrafanstalt_Berlin). Der Grund für die Errichtung von Jugendvollzugsanstalten ist gerade, dass auf die jungen Verurteilten mit pädagogischen Maßnahmen besser eingewirkt werden kann und soll. In der Realität würden sich Momo und Kida Ramadan in einer deutschen JVA daher nicht über den Weg laufen.
Fazit
Wer 4 Blocks gefeiert hat, wird auch bei ASBEST auf seine Kosten kommen. Es ist gute Unterhaltung und liefert einen Blick in die Welt der Clans. Rechtlich ist die Serie leider nicht gut recherchiert und geht in weiten Teilen an der Realität vorbei.
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