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  • AutorenbildDr. Löw

Entschädigung für zu Unrecht verbüßte Untersuchungshaft

Aktualisiert: 1. Nov. 2019

Eine Besonderheit im Rahmen eines Strafverfahrens sind Entschädigungsansprüche nach dem StrEG (Gesetzt über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen). Dieses sieht vor, dass Beschuldigte die durch Strafverfolgungsmaßnahmen einen Schaden erlitten haben, eine Entschädigung erhalten, wenn sie freigesprochen werden oder das Verfahren gegen sie eingestellt wird.


Wird ein Beschuldigter daher in U-Haft genommen und in der Hauptverhandlung rechtskräftig freigesprochen, dann kann er eine Entschädigung beantragen. Doch auf dem Weg dahin sind einige Hürden zu nehmen. Wie es genau funktioniert, lässt sich an einem Fall verdeutlichen:


Mein Mandant wurde abends in Polizeigewahrsam genommen, weil er angeblich versucht haben soll, einen Roller zu stehlen. Am nächsten Tag wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Haftbefehl verkündet und er wurde daraufhin in Untersuchungshaft genommen.


Bereits einen Monat später wurde von der Staatsanwaltschaft wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall Anklage vor dem Amtsgericht erhoben.

Der Hauptverhandlungstermin fand erst knapp 2 Monate später vor dem Amtsgericht statt. In dem Hauptverhandlungstermin wurde von uns der Tatvorwurf bestritten und eine Erklärung abgegeben, wonach mein Mandant zum Tatzeitpunkt lediglich betrunken am Lenker des Rollers rumgespielt hat. Diese Einlassung wurde im Wesentlichen von den Zeugen bestätigt. Sie konnten sich genau daran erinnern, wie mein Mandant in der Nacht am Roller „rumgefummelt“ hat. Mehr konnten Sie aber nicht sagen. Gerade weil der Roller mit einer dicken Kette angeschlossen war und mein Mandant die Kette nicht berührt hat, konnte man einen Diebstahlsversuch jedoch nicht nachweisen. Im Ergebnis wurde mein Mandant daher freigesprochen und der Haftbefehl aufgehoben.


Im Hinblick auf eine Entschädigung bedeutet dies für den Verteidiger Augen auf: Denn die Entschädigung nach dem StrEG besteht aus zwei Stufen. Zunächst wird eine StrEG-Grundentscheidung benötigt und dann muss das Betragsverfahren durchführt werden. Die Grundentscheidung kann entweder direkt im Urteil oder auch in einem gesonderten Beschluss verkündet werden. Da hier der Richter bei der Urteilsverkündung zu einer Entschädigung nichts gesagt hat, wurde der Erlass einer StrEG-Grundentscheidung im Anschluss an die Urteilsverkündung von mir beantragt. Der Richter hat sich darauf eingelassen und per Beschluss die Grundentscheidung wie folgt getroffen:


„Der Angeklagte ist für die erlittene U-Haft vom ... bis ... zu entschädigen.“


In der zweiten Stufe ist dann nach dem Eintritt der Rechtskraft der Schaden zu beziffern. In meinem Fall hat sich dies leider 4 Monate gezogen (obwohl von niemanden Berufung eingelegt wurde). Der guten Ordnung halber habe ich zunächst eine sog. StrEG Belehrung erhalten und wurde von der Staatsanwaltschaft aufgefordert, den Schaden innerhalb von 6 Monaten anzumelden. Dann ist genau zu überlegen, welchen Schaden man wirklich nachweisen kann. Beispielsweise kann man bei Selbstständigen einen Verdienstausfall geltend machen oder auch die Rechtsanwaltskosten. Da mein Mandant aber derzeit keinen Job hatte und auch sonst kein Schaden nachweisbar war, hat sich der Antrag auf den sog. immateriellen Schaden beschränkt. Beim immateriellen Schaden handelt es sich um eine Art Schmerzensgeld, weil man unschludig in Haft war. Hier liegt der Satz gem. § 7 Abs. 3 StrEG bei 25 EUR für jeden angefangegen Tag den man aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Haft war. Das ist für die verlorene Zeit viel zu wenig, aber so hat es der Gesetzgeber entschieden.


Insgesamt befand sich mein Mandant genau 70 Tage aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Haft. Die von mir beantragte Entschädigung belief sich daher auf 1.750 EUR.


Im Ergebnis erhielt mein Mandant zwar nur ca. 1.400 EUR, weil das Land Nordrhein-Westfalen mit einem Gegenanspruch aus einem früheren Verfahren aufrechnen konnte. Ein kleiner Ausgleich für die erlittene Haft war es aber dennoch für meinen Mandanten.


Übrigens werden die Rechtsanwaltsgebühren, die für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs entstehen grundsätzlich von der Staatskasse getragen. Kleiner Hinweis für meine Anwaltskollegen: Das steht nicht im StrEG, sondern in der RistBV in der Anlage C Teil 2, B II 2g. Jedoch werden die Kosten nur übernommen, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts notwendig ist. Dies soll nach Anlage C Teil 2, B II 2g Satz 2 RistBV jedoch regelmäßig nicht der Fall sein, wenn (wie hier) ausschließlich eine immaterielle Haftentschädigung verlangt wird.


Wenn Sie diesbezüglich Fragen haben und kompetente Unterstützung in Strafsachen benötigen, können Sie sich gerne an mich wenden.





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