„Wann bekomme ich mein Handy wieder?“ Das ist der Satz, den ich als Strafverteidiger in immer mehr Fällen zu hören bekomme. Der folgende Leitfaden zeigt daher die Möglichkeiten auf, auf eine Beschlagnahme zu reagieren und die Rückgabe zu beschleunigen. Zudem wird erklärt, wie die Auswertung erfolgt, wie man sich gegen eine drohende Einziehung wehrt und wie man eine Entschädigung durchsetzt, wenn am Ende das Verfahren eingestellt wird. Los gehts!

1. Sicherstellung vs. Beschlagnahme
Nimmt die Polizei einem Betroffenen das Smartphone ab, so handelt es sich entweder um eine formlose Sicherstellung oder um eine Beschlagnahme.
a) formlose Sicherstellung
Eine formlose Sicherstellung liegt vor, wenn das Smartphone freiwillig an die Polizei übergeben wird. In vielen Fällen wird die Polizei auf den Betroffenen einreden und behaupten, dass es besser wäre das Smartphone abzugeben. Es wird damit gedroht, dass man sich auch einen Beschluss holen könnte und das dann nur alles länger dauern würde. Die formlose Sicherstellung wird daher auch „freiwillige“ Sicherstellung genannt.
b) Beschlagnahme
Die Beschlagnahme ist das Gegenteil von freiwillig. Immer wenn das Smartphone gegen den Willen des Betroffenen von der Polizei einkassiert wird, liegt eine Beschlagnahme vor. Eine Beschlagnahme erfordert grundsätzlich einen richterlichen Beschluss. Nur bei Gefahr in Verzug kann die Polizei selbst die Beschlagnahme anordnen.
Tipp:
Aus anwaltlicher Sicht sollte das Smartphone nie freiwillig an die Polizei herausgegeben werden!
Achtung:
In jedem Fall gilt, dass der Betroffene nicht verpflichtet ist, der Polizei den Entsperrcode seines Smartphones mitzuteilen. Dies ergibt sich bereits aus dem Schweigerecht, das jeder Beschuldigte hat. Außerdem gilt der Grundsatz, dass sich niemand selbst zu belasten braucht. Auch durch die Drohung der Polizei, dass ansonsten das Smartphone bei der Auswertung zerstört werden könnte, sollte man sich nicht verunsichern lassen (siehe unten).
2. Wie kann ich mich gegen die Beschlagnahme wehren?
Gegen die Beschlagnahme eines Smartphones kann man sich auf viele Weisen wehren. Welcher Rechtsbehelf im Einzelnen richtig ist, sollte mit einem Rechtsanwalt besprochen werden. Hier die wichtigsten Rechtsbehelfe:
a) Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Hat die Polizei einen Gegenstand ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt und der anwesende Betroffene ausdrücklich Widerspruch gegen die Beschlagnahme eingelegt, so kann der Betroffene jederzeit die richterliche Entscheidung beantragen (§ 98 Abs. 2 StPO).
b) Beschwerde
Gibt es eine richterliche Anordnung kann gegen die Beschlagnahme Beschwerde gem. § 304 StPO eingelegt werden. Da das Gericht durch die Beschwerde die Rechtsmäßigkeit von Amts wegen auf etwaige Fehler prüfen muss, ist eine Begründung zwar nicht zwingend erforderlich. Dennoch lohnt sich aus meiner Erfahrung eine ausführliche Begründung, um die Fehler der angegriffenen Entscheidung aufzuzeigen.

Achtung:
Bei der Beschlagnahme erhält der Betroffene von der Polizei regelmäßig eine Abschrift des Protokolls, in dem die beschlagnahmten Gegenstände aufgelistet sind. Hier sollte man darauf achten, dass die beschlagnahmten Gegenstände so genau wie möglich beschrieben werden und zudem das Kästchen „Ausdrücklicher Widerspruch“ angekreuzt wird.
3. Wie funktioniert die Auswertung?
Wurde ein Smartphone ordnungsgemäß beschlagnahmt, liegt der nächste Schritt in der Auswertung, d.h. die Beweismittel müssen auf dem Smartphone gesucht und gesichert werden. Diese Auswertung wird vom LKA übernommen und erfolgt in der Regel über die Cracking-Tools Cellbrite oder X-Way Forensics.
Die Auswertung von elektronischen Geräten dauert oft mehrere Monate und teilweise Jahre. Die zuständigen Stellen sind schlicht überfordert mit der Anzahl der zu überprüfenden Geräte. Zudem findet eine Priorisierung nach dem Gewicht des Strafvorwurfs statt. D.h. wird in einer Mordsache ermittelt, wird die Auswertung des Smartphones gegenüber eines Betrugsvorwurfs vorgezogen.
Achtung:
Zieht sich die Auswertung der von vorläufig sichergestellten Gegenständen über Jahre hinweg, so muss man dies nicht tatenlos hinnehmen. Es besteht die Möglichkeit einen Antrag nach den §§ 100 Abs. 4, 98 Abs. 2 StPO auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Durchsuchung zu stellen. So hat z.B. das AG Hamburg zuletzt mit Beschluss vom 30.03.2023 (162 Gs 2237/21) festgestellt, dass die Sicherstellung von Datenträgern am 01.11.2021 aufgrund der langen Zeitdauer rechtswidrig ist.
4. Was passiert mit dem Smartphone nach dem Abschluss des Verfahrens?
Was mit dem Smartphone nach dem Verfahrensabschluss passiert, hängt im Wesentlichen davon ab, wie das Verfahren ausgeht.
a) Verurteilung
Kommt es zu einer Verurteilung, wird das Smartphone in der Regel als Tatmittel gem. § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB eingezogen und der Beschuldigte hat keine Möglichkeit dieses zurück zu erhalten. Auf dem Smartphone gespeicherte Bilder oder Daten sind verloren.
Zwingend ist diese Regelung aber nicht. Denn § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB räumt dem Tatrichter einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Einziehungsentscheidung ein, so dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (§ 74f StGB). Demnach kann die Einziehung immer dann unterbleiben, wenn der mit der Einziehung verfolgte Zweck auch durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Handelt es sich bei der verwirklichten Straftat daher um die Speicherung inkriminierter Bild- oder Videodateien, stellt die unwiderrufliche Löschung der Video- oder Bilddatei ein entsprechende mildere Maßnahme dar (vgl. BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919 mwN). Ein Verzicht auf die Rückgabe des Smartphones sollte daher nicht vorschnell erklärt werden.
b) Freispruch oder Verfahrenseinstellung
Kommt es hingegen zu einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung kann der letzte Gewahrsamsinhaber gem. § 111n Abs. 1 StPO die Herausgabe des Smartphones verlangen. Praktisch erfolgt die Herausgabe so, dass die Staatsanwaltschaft das Smartphone an die örtliche Polizei weitergibt und das Smartphone dort abgeholt werden kann.
5. Kann ich für die Zeit ohne Smartphone Schadensersatz verlangen?
Endet das Strafverfahren durch eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO oder durch einen Freispruch besteht grundsätzlich die Möglichkeit, eine Entschädigung nach StrEG (Strafverfolgungsentschädigungsgesetz) geltend zu machen. Die Hürden hierfür sind jedoch recht hoch.
a) Nutzungsausfall
Einerseits besteht die Möglichkeit eine Entschädigung für den Nutzungsausfall des Smartphones geltend zu machen. Dieser kann grundsätzlich anhand der üblichen Mietpreise für ein entsprechendes Smartphone ermittelt werden. Die Mietpreise findet man z.B. auf der Seite www.grover.com. Ein Nutzungsausfall kann aber nur dann geltend gemacht werden, wenn der Betroffene kein Ersatzgerät hat oder ein solches erwirbt.
b) Wertverlust des neu erworbenen Geräts
Kauft sich der Betroffene nach der Beschlagnahme des alten Geräts ein neues Smartphone, so kann er den Wertverlust des neu erworbenen Geräts während der Zeit, in dem das alte Gerät beschlagnahmt wurde geltend machen. Den Wertverlust berechnet zumindest die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf anhand der linearen Abschreibung auf die Nutzungsdauer entsprechend der Angaben in der AfA Tabelle. Gemäß Nummer 6.13.3.2. der AfA-Tabelle beträgt der Abschreibungszeitraum für ein Mobilfunkgerät 5 Jahre.
Beispiel:
Bei meinem Mandanten wurde am 04. Januar 2020 durchsucht und ein iPhone 11Pro sichergestellt. Am 12.01.2020 hat mein Mandant ein neues iPhone 11Pro zum Kaufpreis von 1.279,00 EUR erworben. Nach der Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO wurde ihm das Smartphone am 28.04.2021 zurückgegeben, so dass mein Mandant einen Anspruch auf Entschädigung des Wertverlustes von 472 Tagen hat. Der Wertverlust berechnet sich dabei wie folgt:
1.279,00 EUR / 5 (Jahre) / 365 (Tage) = 0,701 €/Tag
0,701 EUR/Tag x 472 (Tage) = 330,87 €
6. Das sollten Sie tun, wenn Sie betroffen sind
Sollte Ihr Smartphone in einem Strafverfahren beschlagnahmt worden sein, kann es sich daher durchaus lohnen einen qualifizierten Anwalt mit der Prüfung der Rechtslage zu beauftragen. Andernfalls droht Ihnen nicht nur eine Strafe, sondern auch der Verlust des Smartphones und allen darauf gespeicherten Daten.
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